Rückblick: Josei no Goshinjutsu mit Raphaela Simon
Am 12ten und 13ten April stellte uns Shihan Raphaela Simon ihren Ansatz der Lehren des Bujinkan vor.
Am Wochenende des 12. und 13. April 2025 fand im Budo Shuren Dojo in Augsburg ein Bujinkan-Seminar zum Thema Josei no Goshinjutsu statt, geleitet von der erfahrenen Bujinkan-Lehrerin Raphaela Simon.
Der japanische Begriff Josei no Goshinjutsu (女性の護身術) bedeutet wörtlich „Selbstverteidigung für Frauen“. Im Zentrum des Seminars stand nicht die Anwendung gezielter Techniken für spezifische Gefahren-Situationen, wie man sie aus klassischen Selbstverteidigungskursen kennt – sondern die Auseinandersetzung mit Prinzipien, die Kampfkunst auch ohne körperliche Kraft wirksam machen. Für viele war es das erste Mal, dass dieser Ansatz als das konkrete, zentrale Thema eines Seminars vorgestellt wurde.
Raphaela Simon brachte umfassende Erfahrung aus dem Bujinkan sowie aus dem Leiten von Selbstverteidigungskursen mit. Im Seminar zeigte sie Techniken und Prinzipien, die auch gegen körperlich überlegene Angreifer funktionieren; nicht durch Kraft, sondern durch Timing, Verständnis der Struktur des Gegners und Fluss in der Bewegung.

Neben den Trainingseinheiten gab es auch Raum für Austausch und Gemeinschaft. Am Samstag beim gemeinsamen Abendessen und sonntags beim Brunch, den das gastgebende Shuren Dojo vorbereitet hatte. Die sorgfältig eingerichteten Räumlichkeiten des Dojos boten einen idealen Rahmen sowohl für das Training als auch den Austausch zwischendurch.
Das Seminar richtete einen gezielten Fokus auf ein Thema, das auf den Matten für manche selten und für andere häufiger präsent ist: Wie trainiere ich als physisch unterlegene Person? Welche Prinzipien stecken in den Kata, die unabhängig von Kraft funktionieren? Bei welchen scheitere ich an einem stärkeren Gegner – und warum? Josei no Goshinjutsu hat diese Fragen in den Mittelpunkt gerückt und damit Denkanstöße für das weitere Training gegeben.

Josei no Goshinjutsu wirft auch eine grundlegende Frage auf: Was ist unser Ziel im Training? Wenn wir trainieren, um in einem Wettkampf mit fairen Kräfteverhältnissen zu gewinnen, üben wir mehr für den sportlichen Vergleich. Trainieren wir reines Goshinjutsu (also “Selbstverteidigung”), geht es erst mal darum, sich möglichst effektiv zu verteidigen, und zwar mit der Kraft, die uns individuell zur Verfügung steht. Der Kernaspekt des Bujinkan ist aber, Bewegung, Struktur und Intention so zu verstehen und einzusetzen, dass selbst bei einem Kraft-Nachteil die Effektivität erhalten bleibt. Unabhängig von der tatsächlichen Körperkraft: Wer sich mit der Perspektive der körperlich Unterlegenen auseinandersetzt, entwickelt nicht weniger kräftiges Taijutsu, sondern mehr Präzision. Dabei reduzieren sich die tatsächlichen Erfahrungen mit ungleichen Kräfteverhältnissen nicht auf Frauen: Körperliche Unterlegenheit kann viele Ursachen haben – Krankheit, Verletzung oder schlicht das fortschreitende Alter. Josei no Goshinjutsu ist also kein Nischenthema, sondern ein Ausdruck der Essenz unserer Kampfkunst und die Grundlage für eine ganzheitliche und lebenslange Auseinandersetzung mit Budō.
